Presse 2012


15.11.2012

Ein Plan für Schönecks Streuobst

Von Deliah Eckhardt

Schöneck Nach und nach füllt sich der Seminarraum des Feuerwehrgerätehauses in Büdesheim. Die Einladung, die herumging, hat Interesse bei den Schöneckern geweckt: 16 Interessierte sind gekommen, um bei der Gründungsversammlung der Streuobstfreunde Schöneck dabei zu sein.

Darüber ist Werner Nussbaum, Initiator des Projektes, glücklich. Dem Pomologen und Gärtner ist es eine Herzensangelegenheit, die Pflege der Streuobstwiesen endlich auf sichere Füße zu stellen: "Wir wollen die Menschen an diese Arbeit heranführen – sonst müssen wir damit rechnen, dass in 15 bis 20 Jahren keine Streuobstwiesen mehr da sind."

Auch in anderen Kommunen sei die Lage miserabel, es sei "zu wenig im Bereich Streuobst gelaufen", bemängelt der Experte. Deshalb will Nussbaum aus der bisherigen Interessensgemeinschaft Streuobstfreunde Schöneck nun einen eingetragenen Verein machen. Auch Bürgermeisterin Conny Rück (SPD) darf er unter den Gästen begrüßen. "Bei Werner Nussbaum ist das Projekt in den richtigen Händen", versichert die Bürgermeisterin.

Sie freue sich, dass Interessierte aus verschiedenen Ortsteilen kämen und hoffe, dass das Projekt gelinge. Auch bot Rück Hilfe vonseiten der Gemeinde an: "Wir freuen uns über Unterstützung in Sachen Streuobst." Eine Kooperation mit der Gemeinde könne auch er sich vorstellen, sagte Nussbaum.

Werner Nussbaum
Werner Nussbaum

Pflegen und ernten

"Wir wollen aber auch Bäume kostenlos zur Verfügung stellen, die von Streuobstfreunden dann gepflegt und geerntet werden können, nach dem Prinzip ,Pflege gegen Ernte‘", merkte Nussbaum an. Das könnte ein erster Schritt sein.

Sein Vorhaben scheint Anklang zu finden, alle tragen sich auf die herumgehende Gründungsliste ein. Dass Nussbaum dem Verein vorstehen soll, steht nicht zur Debatte: Er wird bei der Wahl einstimmig als Vorsitzender bestimmt. Die Anwesenden wählen Gerald Diehl zum zweiten Vorsitzenden. Kassierer wird Werner Hahn, Schriftführer Ralf Metzger.

"Wir werden uns zusammensetzen und eine Satzung erarbeiten", verspricht der frisch gewählte Vorsitzende und schlägt außerdem vor, einen Mitgliedsbeitrag von einem Euro pro Monat festzulegen. Man wolle außerdem weiter Schnittkurse anbieten.

Kritik an Saftindustrie

Nussbaum betont in seinem anschließenden Vortrag, dass Streuobstwiesen kein Allgemeingut, sondern Privatbesitz seien. "Einfach an den Bäumen zu schütteln und sich die Tüten mit dem Obst vollzupacken, das ist Diebstahl."

Auch kritisierte der Schönecker die Saftindustrie scharf. "Wenn die Preise, die man für seine Apfellieferungen bekommt, angehoben würden, würde sich das Bewirtschaften für Streuobstbaumbesitzer auch endlich wieder lohnen." Die Erhaltung alter Obstsorten sei wichtig. Es gehe dabei nicht nur um das Obst, sondern auch um den Erhalt des Lebensraumes Streuobstwiesen.

Artikel vom 15. November 2012, 21.30 Uhr (letzte Änderung 16. November 2012, 04.09 Uhr),
©2012 Frankfurter Neue Presse / Bad Vilbeler Neue Presse


09.11.2012

Der Kardinal stirbt aus

Von Andreas Haupt

Bergen-Enkheim Mit geübtem Blick nimmt Werner Nussbaum den alten Apfelbaum in Augenschein. "Das ist eigentlich ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte", sagt der Pomologe, ein Experte für "die Sortenkunde beim Obst" also, wie er selbst erklärt. Rund um den Stamm liegen vergammelnde Früchte, viele hängen noch immer am Baum. Eine Ausnahme, zum Glück, bei den meisten anderen Bäumen liegt kein Obst herum. Die Bäume benötigen viel Pflege, und die ist wichtig. Denn allein hier am Berger Hang gibt es 160 bis 170 verschiedene Äpfel.

Ein besonderer Genpool, den es zu erhalten gilt, findet Nussbaum. Er ist Vorsitzender der hessischen Landesgruppe der Pomologen, wurde soeben in eine Europa-Kommission der Obstexperten gewählt. Einige Sorten wie den "Geflammten Kardinal" oder "Großherzog Friedrich von Baden" haben er und sein baden-württembergischer Kollege Hermann Schreiweis am Berger Hang nur ein einziges Mal gefunden. Soeben haben sie die Streuobstwiesenkartierung des Berger Hangs abgeschlossen, finanziert von der Stadt Frankfurt. Damit ist der Bestand dort komplett erfasst.

Seltene Sorten erhalten

Nun geht es daran, die seltenen Obstsorten für die Nachwelt zu erhalten: Am Heiligenstock, hinter dem Alten Zollhaus, will die Stadt alte, vom Aussterben bedrohte Sorten anpflanzen. Aber warum ist das so wichtig? Etwa für Allergiker, erklärt Nussbaum. "Wer auf Äpfel reagiert, sollte statt im Supermarkt einmal auf die Internetseite des BUND Lemgo schauen", empfiehlt er. Dort gibt es Tipps, welche Äpfel für Allergiker gut verträglich sind und welche auch Diabetiker essen können.

"Viele alte Obstsorten sind auch resistenter gegen Krankheitserreger. Anders als die üblichen Plantagenbäume, die regelmäßig mit Pestiziden besprüht werden müssen", sagt Nussbaum. Schuld daran, dass es im Supermarkt nur rund ein Dutzend Sorten gebe, sei die Verpackungsindustrie. "Die hat durchgesetzt, dass nur als Handelsklasse Eins gilt, was 8,5 Zentimeter Durchmesser hat. Denn die können die Packmaschinen verarbeiten. Alles andere ist Handelsklasse zwei und taugt nur noch für den Most." Während ein Obstbauer für ein Kilo Speiseäpfel 34, 35 Cent bekomme, gibt es für Mostäpfel nur 7 Cent. "Deshalb liegen viele Streuobstwiesen brach: Erst wenn das Kilo 20 Cent kostet, lohnt sich die Ernte."

Von den Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland bekannten 8000 Apfelsorten gebe es heute nur noch 2500. Tausend davon seien noch in Baumschulen zu bekommen. Doch sie werden immer seltener angebaut. "Die Schweiz ist da viel weiter, die haben alle Bestände erfasst." In Deutschland werde man in 20, 30 Jahren noch nicht so weit sein: Zwar hat der Pomologen-Verband 1000 Mitglieder, davon alleine 200 in Hessen. "Aber nur etwa 40 kennen sich so gut aus, dass sie Bestandsaufnahmen machen können."

Bestände erfassen

Umso wichtiger sei die Kartierung des Berger Hangs, so Nussbaum. "Wir haben neben den Standorten der Obstbäume auch den Erhaltungszustand und das Alter notiert." So können seltene Sorten besser geschützt werden, vor dem Fällen bewahrt werden. Der nächste Schritt: Die seltenen Bäume vermehren. "Dazu nutzen wir den Edelreiser, das ist der einjährige Trieb." Er wird vom Baum geschnitten und den Winter über im dunklen, feuchten Keller gelagert. Im Frühjahr dann wird er dann - das ist die Veredelung des Obstbaums - auf die Wurzeln einer robusten, gut wachsenden Sorte "aufgepfropft". "Beliebt ist dafür der Bittenfelder Sämling."

Noch aber gibt es ein Problem: Viele Wiesen sind in Privatbesitz, die Eigentümer nach Erbteilungen oft unbekannt oder sie leben im Ausland. "Diese Wiesen durften wir nicht betreten, konnten die Bäume dort nicht bestimmen." Außerdem trugen viele Apfel- und fast alle Birnenbäume in diesem Jahr keine Früchte: Im Frühjahr hatte starker Frost die Blüten zerstört. Und man braucht mindestens drei Früchte, um eine Sorte sicher zu identifizieren. "All diese Bäume müssten wir nächstes Jahr noch einmal begutachten." Rund ein Viertel sei noch nicht erfasst.

Auch deshalb plant die Untere Naturschutzbehörde im kommenden Frühjahr in Bergen eine Infoveranstaltung für die Bürger. "Dort können sie sich informieren, welche Apfelsorten auf ihren Grundstücken stehen", sagt Christa Mehl-Rouschal, Streuobstwiesen-Expertin der Unteren Naturschutzbehörde. Und Nussbaum hofft, dass dort Kontakt zu weiteren Streuobstwiesenbesitzern entsteht, um auch deren Wiesen zu kartieren.

Typische Frankfurter Äpfel

"Den Berger Südhang haben wir auch gewählt, weil wir dort hofften, besonders viele alte Sorten zu finden", sagt Mehl-Rouschal. Zurzeit seien keine weiteren Kartierungsaktionen geplant, auch wenn es in Frankfurt weitere interessante Streuobstwiesen gebe, etwa am Berger Nordhang.

Der nächste Schritt sei nun, die gefundenen alten Sorten zu erhalten, sagt Mehl-Rouschal. "Darunter sind auch Äpfel, die früher für Frankfurt typisch waren." Ausgesuchte Bäume werden daher am Heiligenstock angepflanzt: Auf einer früher landwirtschaftlich genutzten Fläche, die die Stadt neben einer eigenen Streuobstwiese gekauft hat. Dort sollen künftig auch Edelreiser geschnitten werden, um die alten Sorten noch weiter zu verbreiten.

Artikel vom 09. November 2012, 03.21 Uhr (letzte Änderung 10. November 2012, 04.31 Uhr),
©2012 Frankfurter Neue Presse


16.09.2012

Äppelfest Lohrberg

Apfelverrückt aus Leidenschaft

Von der Verkostung über die Sortenbestimmung bis zum Ebbelwei -
6000 Besucher kommen bei strahlendem Sonnenschein zum „Äppelfest“ auf den Lohrberg.

Für Werner Nussbaum ist die Sache klar. Keine Diskussion. „Der hat kaum Stil und außerdem sitzt die Blüte oben drauf“, analysiert er. „Das ist zu hundert Prozent ein Cox-Orange, keinen Zweifel, das erkenne ich sofort.“ Der Cox-Orange sei ein weltweit verbreiteter wohlschmeckender Tafelapfel, erklärt er.

„Und das können Sie so schnell erkennen?“, fragt Jochen Willbert verwundert, der mit einer Papiertüte voller Äpfel vor Nussbaum steht. Natürlich kann er, schließlich ist Werner Nussbaum Experte. Er kennt sich aus mit Obst, besonders mit Äpfeln. Die runden Früchte sind seine Leidenschaft. Er sagt: „Ich bin apfelverrückt.“

"Alles dreht sich um den Apfel"

Genau aus diesem Grund sitzt Nussbaum am Sonntag auf dem Gelände des „Main Äppelhauses“ auf dem Lohrberg. Der Verein des Hauses feiert zum neunten Mal das Frankfurter „Äppelfest“ und mehr als 6000 Apfelfans sind gekommen, wie Gerhard Weinrich vom „Main Äppelhaus“ schätzt.

„Alles dreht sich um den Apfel. Wir keltern heute ungefähr 600 Liter frischen Süßen, den die Leute sich abfüllen lassen können, es gibt Apfelverkostungen und Apfelsortenbestimmungen.“

Genau dafür ist Werner Nussbaum zuständig. An seinem Stand können Apfelbaumbesitzer von ihm für drei Euro herausfinden lassen, um was für eine Sorte es sich bei ihrem Baum handelt. „Knapp 250 Sorten kenne ich aus dem Kopf“, berichtet Nussbaum. Wenn er sich mal nicht sicher ist, zückt er seinen Kernordner. Darin hat er 700 verschiedene Apfelsorten gesammelt. „Dann mache ich den Kernvergleich, um zu erfahren, welchen Apfel ich hier vor mir habe.“

Auf den Geschmack gekommen

Bei den Äpfeln, die Jochen Willbert und seine Frau Inge mitgebracht haben, ist das allerdings kein Problem. „Auch der zweite Apfel ist ein Cox-Orange und der dritte ein Booskop.“ Während Willbert seine Äpfel zurück in die Papiertüte räumt, gesteht Nussbaum: „Äpfel sind einfach was Schönes.“

Der Meinung sind auch Frank Pahle und Anke Cimbal: „Besonders ein sauer-gespritztes Glas Apfelwein ist immer wieder erfrischend.“ Zwar habe er sich, gesteht Pahle, nach seinem Umzug von Stuttgart nach Frankfurt erst einmal „reintrinken“ müssen, „aber mittlerweile, nach acht Jahren, bin ich auf den Geschmack gekommen.“

Werner Nussbaum ist schon sehr viel früher auf den Apfel-Geschmack gekommen. Der beste Apfel sei der „Gascognes Scharlachrote“, „der ist unvergleichlich, ein aromatisches Highlight.“

» Fotostrecke: Apfelfest auf dem Lohrberg

Marek Fritzen © 2012 Frankfurter Rundschau

Artikel vom 16. September 2012,
©2012 Frankfurter Rundschau


31.08.2012

Mehr zahlen, dann werden die Bäume gepflegt

Interview mit der Bad Vilbeler Neue Presse

Herr Nussbaum, warum sind alte Apfelsorten so wichtig?

WERNER NUSSBAUM: Sie sind robust, widerstandsfähiger als moderne Sorten. Allerdings muss ein Obstbauer 16- bis 17-mal durch seine Anlage fahren, um die Bäume gesund zu halten. Das geht mit den Neuzüchtungen einfacher. Allerdings lösen diese bei vielen Menschen Allergien aus. 1850/60 gab es in Deutschland 8000 Sorten, heute nur noch 2500. Das Gen-Potenzial ist verloren.

Wie kann man auf die neuen Sorten verzichten?

WERNER NUSSBAUM: In den Supermärkten gibt es nur Golden Delicious, Braeburn und so etwas. Nur wenige Anbieter wie der Obsthof Schneider in Nieder-Erlenbach bieten alte Sorten zum Kauf an ? und nicht einmal der Dottenfelderhof. Denn im Laden muss alles glänzen. Hat ein Apfel nur einen kleinen Makel, kauft ihn keiner. Davon müssen wir wegkommen.

Wie helfen Aktionen wie in Karben?

WERNER NUSSBAUM: Wichtig ist, dass die Keltereien mehr für die Äpfel zahlen. 20 Euro pro 100 Kilo wären ein reelles Niveau. Dann würden auch die Bäume wieder gepflegt.

dpg © 2012 Bad Vilbeler Neue Presse

Artikel vom 30. August 2012, 18.58 Uhr (letzte Änderung 31. August 2012, 04.07 Uhr)
©2012 Frankfurter Neue Presse / Bad Vilbeler Neue Presse


05.03.2012

Okriftel Mit Block, Stift und vielen Fragen ausgerüstet haben sich am Samstagnachmittag etwa ein Dutzend Hobbygärtner über den richtigen Obstbaumschnitt bei Werner Nussbaum informiert. Die Kreisverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) des Main-Taunus-Kreises und Frankfurt hatten den Obstbaumkundler (Pomologen) eingeladen, seine Zuhörer in den Öschbergschnitt einzuweihen. Mit dieser Technik erhält man einen pyramidenförmigen Baum. Befolgt man die Technik und "hört auf die Bedürfnisse seines Baumes", dann ? so die Überzeugung des Experten ? kann man zentnerweise Obst ernten.

Hier einige seiner Tipps: Schnittzeit ist im Winter, am besten Ende Februar, Anfang März, kurz vor der Blüte. Denn dann erkennt man gut, wo die Blüten- und Blattknospen sitzen und kann beide voneinander unterscheiden: Die dicken, runden sind Blüten und die spitzen sind Blattknospen. Dort wo die Blütenknospen sitzen, werden Äpfel hängen und aus den Blattknospen können neue Äste wachsen. Ein weiterer guter Schnittzeitpunkt ist der Spätsommer ab dem 15. August.

Was sind die Leitäste?

Vor dem Schnitt legt man fest, welche Äste Leitäste werden sollen. Sie sind im Gegensatz zu den reinen Fruchtästen dicker, weil sie die meiste Last tragen. Zuerst schneidet man am Baum die Äste raus, die quer durch die Krone wachsen und andere Triebe behindern. Auch krankes und totes Holz wird weggeschnitten. Am Stamm schneidet man Äste weg, wenn sie die Leitäste blockieren. "Alles, was Ihr schneidet, produziert Holz", erklärt Nussbaum. Das heißt man schneidet in der Regel dort, wo man weitere Äste möchte.

Den Schnitt sollte man aus Sicht des Pomologen immer schräg und über einem "innen liegenden" Auge eines Astes ansetzen. Hier weicht die Schnitttechnik stark von anderen ab, hat aber laut Nussbaum den Vorteil, dass die Krone nicht zu ausladend wird und die Äste nach oben, dem Licht entgegen wachsen.

Ein Grundsatz lautet: Steile Äste wachsen und Äste, die unterhalb des 45 Grad Winkels zur Mitte stehen fruchten, weil sie viel Sonne abbekommen. Der Apfel trägt am besten am zweijährigen Holz. Alte Fruchtäste, die nicht mehr tragen, kann man wegschneiden.

Zum Werkzeug rät Werner Nussbaum zu einer Garten- beziehungsweise Bypassschere, bei der sich alle Teile nachkaufen lassen, sowie einer kleinen Handsäge. Zudem ist der Mann, der mühelos 350 Obstsorten bestimmen kann, ein Fan von Leitern mit einem Holm, die sich an den Baum lehnen lassen. So, sagt er, stehe man sicher und könne mit beiden Händen arbeiten.

Ein Problem bei jungen Obstbäumen ist die Wurzelhalsfäule. Die kann man vermeiden, indem man den Bereich, wo der Stamm in die Erde geht, freihält. Gras oder andere Beläge wie Mulch, können nicht nur die Fäulnis begünstigen, sondern ziehen Mäuse an, die gerne an Wurzeln nagen. (tay)

Artikel vom 05. März 2012, 03.22 Uhr (letzte Änderung 05. März 2012, 05.03 Uhr)
©2012 Frankfurter Neue Presse / Höchster Kreisblatt